Wir werden durch Schatten gestört

Teilbeitrag zu »Der Heilige Augenblick« von Allen Watson, gechrieben 2001
Die Kehrseite unserer guten Absichten sind unsere unheiligen Absichten. Wie rein wir unsere Absichten auch immer halten, wir bemerken immer eine Gegenströmung in unserem Geist, die »dunkle Seite der Macht«, um einen Ausdruck aus dem Film »Krieg der Sterne« zu nutzen. Wir meinen, daß wir zunächst mit all diesen »Schatten«(2:4) in unserem Geist umgehen müssen, bevor wir den heiligen Augenblick erleben dürfen, da sie sich ganz offensichtlich nicht mit der Heiligkeit vertragen. Aber das Gegenteil ist wahr. Nur der heilige Augenblick kann diese unheiligen Absichten heilen, denn wir kommen zu ihm, um sie zu heilen.

Was ist mit »Schatten«gemeint? Ich kenne verschiedene aus eigener Erfahrung. Zunächst gibt es den Schatten des Zweifels. Ich schaue auf meine kleine Bereitwilligkeit und zweifle an seiner Macht, denn wie kann die einfache Bereitwilligkeit genügen, um die Vielfalt aller Krankheiten und Probleme in meinem Leben zu heilen? Ich denke, daß ich irgendwie absolut sicher sein muß, bevor ich den heiligen Augenblick erleben kann. Die Zweifel in meinem Geist halten mich zurück, und ich muß diese Zweifel irgendwie bekämpfen, bevor ich GOTTES Gnade empfangen kann. Aber meine Unsicherheit durch Gewißheit zu ersetzen, ist die Aufgabe des HEILIGEN GEISTES und nicht meine (T-7.III.5:5). Ein Zweck des heiligen Augenblicks ist es, meine Zweifel zu beseitigen und mir Gewißheit zu geben (H-15.2:6,7 und T-18.VI.13:6). Ich brauche keine Gewißheit, um den heiligen Augenblick zu erfahren, ich brauche den heiligen Augenblick, um Gewißheit zu bekommen.

Ein anderer »Schatten« ist die Furcht, daß meine Bereitwilligkeit nicht vollkommen ist. Je mehr ich fortschreite in meinem spirituellen Verständnis, desto mehr wird mir mein eigener innerer Widerstand bewußt. Ich möchte zu GOTT gehen, aber genauso habe ich Angst davor. »Du gehst der Liebe entgegen und haßt sie immer noch und fürchtest dich entsetzlich vor ihrem Urteil über dich.« (T-18.III.3:5). Je ehrlicher ich mit mir selbst bin, desto mehr erkenne ich, daß ich GOTT noch nicht vollständig in mein Leben einlassen will, daß ich krampfhaft an der Welt und an dem Körper festhalte. Wie kann ich meiner Bereitwilligkeit »blind vertrauen«, wenn sie mit Vorbehalten behaftet ist?

Dieser Abschnitt antwortet so völlig klar auf meine Sorgen:

»Die Stärke deiner Bereitwilligkeit braucht nicht von dir zu kommen, sondern allein von SEINEM WILLEN.
Der heilige Augenblick kommt nicht allein von deiner kleinen Bereitwilligkeit. Er ist immer das Resultat deiner kleinen Bereitwilligkeit, verbunden mit der unbegrenzten Macht von GOTTES WILLEN.«
(3:7-4:2)

»ER ist es [der HEILIGE GEIST], der die Größe und die Macht beifügt.« (1:8)

Die Stärke unserer Bereitwilligkeit kommt nicht von uns, sie kommt von GOTT durch den HEILIGEN GEIST. Wenn wir unseren Willen nur im geringsten Maße an GOTTES Willen angleichen, können wir die Kraft nutzen, die das Universum erschaffen hat. Es ist wie beim Paddeln mit einem Kanu, wenn wir in Flußrichtung steuern, wird die ganze Kraft des Flusses unserem schwachen Paddeln hinzugefügt. Wir werden von GOTT getragen.

Wir müssen nicht vollständig bereit sein! Dies ist die wundervolle Nachricht. Eine kleine Wendung in SEINE Richtung, eine »winzige Bereitwilligkeit, ein Nicken hin zu GOTT« wie es im Text heißt (T-24.VI.12:4), ist alles, was notwendig ist. Der HEILIGE GEIST ersetzt unseren Mangel an Bereitwilligkeit und gibt uns die SEINE.

»ER braucht nur deine Bereitwilligkeit, SEINE Perspektive zu teilen, um sie dir vollständig zu geben. Und deine Bereitwilligkeit braucht nicht vollständig zu sein, weil die SEINE vollkommen ist. Es ist SEINE Aufgabe, durch SEINEN vollkommenen Glauben deine fehlende Bereitwilligkeit zu sühnen, und es ist SEIN Glaube, den du dort mit IHM teilst. Wenn du deinen Unwillen, befreit zu werden, erkennst, wird dir SEINE vollkommene Bereitwilligkeit zuteil.« (T-16.VI.12:2-5).

Beachte den letzten Satz! Was ist das, was den HEILIGEN GEIST befähigt, uns SEINE Bereitwilligkeit zu geben? »Das Erkennen deiner Unwilligkeit.« In dem Moment, in dem ich meine fehlende Bereitwilligkeit ehrlich zugebe, wird SEINE Bereitwilligkeit an mich gegeben. Das ist alles, was erforderlich ist.

Ein dritter Schatten, vielleicht der dunkelste von allen, ist Schuld. Wenn ich darüber nachdenke, wie ich zum heiligen Augenblick kommen kann, scheint der wirksamste Hinderungsgrund meine Schuld für all das zu sein, was ich getan oder nicht getan habe. Ich bin mir meiner boshaften, kleinen Gedanken in meinem Geist bewußt, wie kann ich erwarten, den heiligen Augenblick jetzt zu erfahren? Mit all dieser Dunkelheit in meinem Geist, wie soll ich da Licht sehen?

Schuld ist nichts, was mich vom heiligen Augenblick fernhalten kann oder sollte. Im Gegenteil, die Schuld ist, wie alle diese Schatten, der eigentliche Grund, warum ich zum heiligen Augenblick komme. Im heiligen Augenblick beseitigt der HEILIGE GEIST die Schuld; dafür ist er da. Der Versuch, die Schuld zu übersehen oder sie zu überwinden, bevor ich zum heiligen Augenblick komme, ist reine Dummheit, weil die Beseitigung von Schuld die Funktion des heiligen Augenblicks ist (T-18.V.2:3,4). Mich selbst vom heiligen Augenblick zurückzuhalten, weil ich mich schuldig fühle ist genau so, als wenn ich mich weigere zum Arzt zu gehen, weil ich krank bin. Schuld ist ja gerade ein Grund, zum heiligen Augenblick zu gehen, und kein Grund, dem heiligen Augenblick fernzubleiben.

Angst und Haß sind weitere Schatten in unserem Geist, die unsere Bereitwilligkeit für den heiligen Augenblick zu verschleiern scheinen. Wir glauben irrtümlicherweise, daß Angst und Haß in unserem Geist den heiligen Augenblick verhindern; sie können es nicht. Die Funktion des heiligen Augenblicks ist es, unsere Angst und unseren Haß zu beseitigen (T-18.V.2:1,2). Der Versuch, sie selbst zu beseitigen, funktioniert nicht. Dabei handelt es sich nur um einen weiteren Versuch des Ego, uns vom Weg zum heiligen Augenblick abzubringen, ein Versuch, Angst und Haß festzuhalten statt sie zu beseitigen. Wir können zum heiligen Augenblick kommen mit Mordgedanken in unseren Herzen. In der Tat, dies ist genau der Ort, wo wir unsere mörderischen Gedanken hinbringen müssen, wenn wir davon geheilt werden wollen. Der Wille, sie zu heilen, ist der Schlüssel. Wenn wir unsere Gedanken geheilt haben wollen, werden wir sie zum heiligen Augenblick bringen; nur wenn wir sie behalten wollen, werden wir zögern.

Zweifel, unvollkommene Bereitwilligkeit, Schuld, Angst und Haß, jeder dieser Schatten scheint ein Grund zum Zögern zu sein, ist aber tatsächlich ein Grund, in den heiligen Augenblick einzugehen. Diese Schatten aufzulösen ist sein Zweck.

»...laß dich nicht stören, daß Schatten sie [die Bereitwilligkeit] umgeben. Deshalb bist du gekommen. Wenn du ohne sie kommen könntest, bräuchtest du den heiligen Augenblick nicht.« (2:4-6)

»Die notwendige Bedingung für den heiligen Augenblick ist nicht, daß du keine unreinen Gedanken hast. Sie ist jedoch, daß du keine hast, die du behalten möchtest.« (T-15.IV.9:1,2)

Es ist nicht notwendig für uns, die Gedanken an Schatten zu beseitigen, bevor wir zum heiligen Augenblick kommen. Es ist notwendig, daß wir sie beseitigt haben wollen. Wir müssen nicht irgend etwas ändern, um den heiligen Augenblick zu erfahren, aber wir müssen wollen, daß alles für uns geändert wird.