Die Brücke zur Wirklichkeit

Von Wolfgang Kändler

Dieser Text stammt aus dem Rundbrief 11/97 von Wolfgang und behandelt das damalige Leitthema für 1997: Die Zeit, die einfache Entscheidung zu treffen.


Im Textbuch wird im Kapitel 16, Abschnitt V, Abs. 16 und 17 von Jesus die einfache Entscheidung vorgestellt, die wir treffen sollen:

»Die Entscheidung, auf diesen Kurs zu hören und ihm zu folgen oder nicht, ist nichts anderes als die Wahl zwischen Wahrheit und Illusion. Denn hier ist die Wahrheit, von der Illusion getrennt und keineswegs mit ihr verwechselt. Wie einfach wird diese Entscheidung, wenn sie nur als das wahrgenommen wird, was sie ist. Denn nur Phantasien ermöglichen Verwirrung bei der Wahl, und sie sind total unwirklich«

»So ist denn dieses Jahr die Zeit, die einfachste Entscheidung zu treffen, die sich dir je gestellt hat, und auch die einzige. Du wirst die Brücke zur Wirklichkeit einfach deshalb überqueren, weil du begreifen wirst, daß GOTT auf der anderen Seite ist und hier rein gar nichts. Es ist unmöglich, die natürliche Entscheidung nicht zu treffen, wenn das begriffen ist.«

Der letzte Satz erleichtert mich, weil er mir erklärt, warum diese einfache Entscheidung so schwierig ist: ich habe offensichtlich noch nicht begriffen, daß GOTT auf der anderen Seite ist und hier rein gar nichts. Habe ich mich wirklich immer noch nicht entschieden?

Dabei bin ich überzeugt, mich sehr eindeutig für den Kurs entschieden zu haben, d.h. auf ihn zu hören und ihm zu folgen.

Erst als ich im Abschnitt VI weiterlese, löst sich meine Verwirrung auf. Die »Wirklichkeit« auf der anderen Seite der Brücke ist noch nicht die absolute Wahrheit, sondern ein Übergangsstadium in meinem Lernen, das aber bereits eine Veränderung meiner Wahrnehmung beinhaltet. Während ich auf dieser Seite der Brücke »die Welt der getrennten Körper sehe, die sich in separaten Verbindungen zusammenschließen und durch Verlieren eins zu werden suchen« (T-16.VI.5:2), wird auf der anderen Seite der Brücke »der Körper noch immer gesehen, aber nicht ausschließlich, so wie er hier gesehen wird« (T-16.VI.6:2).

Offensichtlich geschieht eine Wertminderung des Körpers: Ich begrenze das Selbst nicht mehr auf den Körper, sondern »sehe« die wahre Identität des Selbst jenseits des Körpers. Der einzige Wert des Körpers wird schließlich sein, daß er mich in die Lage versetzt, meine Brüder mit mir zur Brücke zu bringen und gemeinsam mit ihnen dort befreit zu werden (s. T-16.VI.6:5).

Diese »Wertminderung« ist schließlich das Ergebnis meines Bemühens und Übens zu vergeben; nämlich den anderen über den Körper hinaus in seiner Schuldlosigkeit, d.h. in seinem wahren Selbst wahrzunehmen.

Es ist beruhigend zu wissen, daß Jesus nicht erwartet, daß der/die Körper von uns nicht mehr wahrgenommen werden, sondern daß es letztendlich darum geht, unsere Wertschätzung vom Körper auf das geistige Selbst zu verlagern. Und auch, daß Jesus weiß, daß dieser Übergang Desorientierung und Verwirrung bedeutet. Er sagt dazu:

»Befürchte nicht, daß du unvermittelt emporgehoben und in die Wirklichkeit geschleudert wirst. Die Zeit ist gütig, und wenn du sie zugunsten der Wirklichkeit nutzt, wird sie bei deinem Übergang sanft mit dir Schritt halten. Die Dringlichkeit liegt nur darin, deinen Geist aus seiner starren Position hier herauszulösen. Das wird dich nicht obdachlos und ohne Bezugsrahmen lassen. Die Desorientierungsphase, die dem eigentlichen Übergang vorangeht, ist weit kürzer als die Zeit, die es gedauert hat, deinen Geist so fest auf Illusionen zu fixieren.« (T-16.VI.8:1-5)

So stehen wir wohl schneller auf der Brücke und setzen unseren Fuß auf die Seite, auf der GOTT ist, als wir annehmen. Und so ist auch die Entscheidung, auf den Kurs zu hören, also die Wahl zwischen Wahrheit und Illusion, viel einfacher getroffen, als es oft aussieht. Es fällt uns lediglich schwer, dies selbst zu erkennen.

Und noch etwas: die Entscheidung für den Kurs ist auch die Entscheidung für ein neues, ein anderes Ziel in unserem Leben, nämlich das Ziel der Wahrheit. Mit dieser neuen Zielsetzung öffnen wir uns für einen Prozeß, der durch den HEILIGEN GEIST den Glauben an die Wahrheit wie von selbst entstehen läßt. Der immerwährende göttliche Funke in uns hat die Flamme der Wahrheit entzündet.

Der Kurs ist, wie bereits oben ausgeführt, in weiten Teilen darauf ausgelegt, unsere Aufmerksamkeit vom Körper als dem Symbol des Glaubens an die Trennung auf unser wahres Selbst zu richten als dem Symbol für Wahrheit und Einheit.

So wird die Art, wie wir den Körper sehen, letztlich zum Maßstab unserer Entscheidung: wir können wählen, entweder Symbole der Schuld oder Symbole der Vergebung im anderen zu sehen. Wie aber kann mein Glaube an die Trennung - mit all seinen Folgen - aufgehoben werden? Dieser Glaube, den ich selbst gemacht haben soll und der trotzdem so stabil und unauflösbar scheint? Und dessen Hartnäckigkeit ich ständig erfahre?

Die Lösung wird im Kurs klar angesprochen. So sagt Jesus z.B. im Handbuch (11.3):

»Im Textbuch wird erklärt, daß der HEILIGE GEIST die ANTWORT auf alle Probleme ist, die du gemacht hast. Diese Probleme sind nicht wirklich, aber das ist bedeutungslos für diejenigen, die an sie glauben. Und jeder glaubt an das, was er gemacht hat, denn es wurde dadurch gemacht, daß er daran glaubte. In diese seltsame und paradoxe Situation - die ohne Bedeutung und bar des Sinnes ist, aus der heraus es jedoch keinen Weg zu geben scheint - hat GOTT SEIN URTEIL gesandt, um auf das deine zu antworten. Sanft ersetzt SEIN URTEIL deines. Und durch diese Ersetzung wird das Unverständliche verständlich gemacht. Wie ist Frieden möglich in dieser Welt? Nach deinem Urteil ist er nicht möglich und kann nie möglich sein. Aber nach dem URTEIL GOTTES ist das, was hier widergespiegelt wird, nur Frieden.«

Es ist der GEDANKE GOTTES, der in mir wirkt und mich meinen Irrglauben überwinden läßt. Und im Übungsbuch wird dieses Geschehen so beschrieben: Indem ich um Wunder und Vergebung bitte - also die Zielsetzung des HEILIGEN GEISTES annehme -, bereite ich meinen Geist darauf vor, sich das vorzustellen, was er nicht sehen kann und nicht versteht (Nicht-Trennung). Ist das nicht genau das, was wir wieder und wieder üben? Diese Hinwendung zum Wunder, zur Vergebung, ist der erste Schritt in der Annahme eines Glaubens, der meinen Irrglauben an die Trennung einmal ersetzen wird. Jesus führt weiter aus, daß dieser noch wackelige neue Glaube selbst die Zeugen dafür bringen wird, mir zu beweisen, daß die Grundlage des Glaubens wirklich ist. So können wir trotz der Macht unseres Irrglaubens sicher sein, daß wir mit der Entscheidung für den HEILIGEN GEIST und seine Ziele - d.h. für den Weg des Kurses - einen Weg beschreiten, der mit GOTTES Unterstützung sicher zum Ziel, nämlich zum neuen Glauben an die Einheit führen wird.