Teilbeitrag zu »Die falsche Identität« von Allen Watson, gechrieben 2001
Obwohl ich also allein verantwortlich für das Ego bin, ist das Ego nicht ich. Ich bin der Denker, der die Ego-Gedanken denkt, aber ich bin nicht diese Gedanken. Dies ist eine entscheidende Differenzierung, weil es den Weg zur Freiheit von Schuld öffnet. Es erlaubt mir, das Ego innerhalb meiner selbst zu beobachten und Verantwortung für es zu übernehmen, ohne schuldig für es zu sein. Ich habe das Ego gemacht, und deshalb kann ich es auflösen. Ich kann vom Ego zurücktreten und sagen: »Dieses ist nicht, was ich will. Es ist ein Fehler. Ich wähle jetzt anders.« Wie Ken Wapnick so oft gesagt hat, der ganze Schlüssel zum Kurs liegt in unserer Fähigkeit, unsere eigenen Egos ohne Urteil anzuschauen.
Die Irrtümer des Egos sind genau dies: Irrtümer und nicht Sünden. »SOHN GOTTES, du hast nicht gesündigt, aber du hast dich sehr geirrt« (T-10.V.6:1). Es ist entscheidend, daß wir das Ego ansehen, klar seine Fehler sehen und für sie Verantwortung übernehmen. Es ist gleichermaßen entscheidend, daß, indem wir so vorgehen, wir Fehler nicht als Sünden auffassen und so uns selbst schuldig machen. Wenn wir glauben, wir seien das Ego, ist Schuld unvermeidbar. Diese klare Unterscheidung muß gemacht werden. »Ich bin verantwortlich. Ich denke diese Gedanken. Aber die Gedanken sind nicht ich. Ich sehe sie als falsch an und will sie nicht länger.« Indem ich diese Unterscheidung zwischen »ich« und dem Ego mache, kann ich diese Gedanken ohne Schuld ansehen. Sünden sind permanent; Fehler können korrigiert werden.
Das Übungsbuch weist uns an, »Sieh sie so leidenschaftslos wie möglich kommen und gehen« (Ü- I.31.3:3). »Leidenschaftslos« bedeutet »neutral« oder »losgetrennt«. Leidenschaftslose Beobachtung des Egos kann als ein sehr unsicherer Geisteszustand erscheinen, schwierig zu erwerben und aufrechtzuerhalten, besonders, wenn man neu damit beginnt. Zu lernen, nicht in unsere eigenen Gedanken involviert zu sein, ist eine Kunst; nicht etwas, das schnell gelernt werden kann. Im Versuch, ehrlich über unsere Gefühle zu sein, können wir leicht zurückfallen in das bloße Herauslassen des Egos. Anstatt einfach den Ärger von einem ruhigen Ort in unserem Geist aus zu beobachten, verlieren wir uns in ihm. Ärger zu beobachten bedeutet, von ihm getrennt zu sein, daneben zu stehen. Es heißt nicht länger »Ich bin ärgerlich«, sondern »ich habe ein Gefühl oder einen Gedanken von Ärger«. Man ist sich des Ärgers bewußt - und weiß gleichzeitig, daß man der Beobachter ist, gelöst vom Ärger und neutral ihm gegenüber.
Umgekehrt kann Beobachtung in Verleugnung absinken. Anstatt zurückzuschreiten, einfach den Ärger zu beobachten und ihn gleichzeitig sein lassen, was er ist, überagieren wir, scheuen vor ihm zurück, verniedlichen möglicherweise seine Wichtigkeit (und er ist wichtig, denn »Alles Denken bringt Form auf irgendeiner Ebene hervor« (T-2.VI.9:14) und täuschen uns selbst, daß der kurze Blick, den wir uns von ihm genehmigten, genug sei. Beobachtung bedeutet aber, unserer Angst und unserem Ärger gerade ins Gesicht zu sehen:
»Er muß genau so, wie er ist, gesehen werden, dort, wo gedacht wird, daß er sei, in jener Wirklichkeit, die ihm gegeben wurde, und mit dem Zweck, den ihm der Geist zugewiesen hat. (W-II.333.1:3,4«
Schließlich kann Beobachtung mit Schuld verseucht werden. Schuld ist ein klarer Indikator, daß wir auf unser Ego mit unserem Ego schauen, anstatt mit Jesus oder dem HEILIGEN GEIST. »Nur das Ego kann Schuld erleben« (T-4.V.5:5). Unsere Sünden zu beklagen und uns ihretwegen ängstlich oder beschämt zu fühlen, ist nicht Beobachtung - es ist Selbst-Verurteilung. Wahre Beobachtung wird ohne Verurteilung getan. Dies ist praktisch unmöglich ohne die Assistenz oder die liebende Gegenwart des HEILIGEN GEISTES. Sein Licht allein kann unsere Dunkelheit hinwegleuchten.
»Was du aber verbirgst, das kann ER nicht betrachten. ER sieht für dich, und wenn du nicht mit IHM schaust, kann ER nicht sehen. Die Schau CHRISTI ist nicht für IHN allein, sondern für dich mit IHM. Bringe IHM deshalb alle deine dunklen und geheimen Gedanken und schaue sie mit IHM an. Er hält das Licht, und du die Dunkelheit. Sie können nicht zugleich bestehen, wenn IHR sie beide gemeinsam anseht.« (T-14.VII.6:5-10)
Wenn ich ruhig mein eigenes Ego beobachte, ohne Urteil, habe ich mich bereits vom Ego freigemacht. Das Ego kann sich selbst nicht sehen; wenn ich es sehe, muß »Ich« etwas anderes als das Ego sein! Der Kurs beschreibt diese Fähigkeit, sich selbst vom Ego zu trennen, als etwas Entscheidendes: »Das ist eine entscheidende Phase in diesem Kurs, denn hier muß nun die Trennung zwischen dir und dem Ego vollständig gemacht werden« (T22.II.6:1). Das Ego glaubt, es zu ändern sei unmöglich und ebenso unmöglich sei es, dich (und jeden) als hundertprozentig unschuldig anzusehen. Was du bist, weiß, daß es möglich ist. Vom Gesichtspunkt des Ego aus ist keine andere Reaktion als Ärger möglich, und keine andere Antwort auf den eigenen Ärger als Schuld ist angemessen; dein SELBST weiß, daß nur Liebe, nicht Ärger, gerechtfertigt sein kann, und keine andere Antwort auf Ärger als Liebe ist wahrhaft möglich, denn dein SELBST ist Liebe. Wenn du dich selbst von deinem Ego lösen kannst, kannst du stehenbleiben, es anschauen und sagen: »Dies ist nicht, was ich will, und es liegt in meiner Macht, anders zu wählen.«
Du kannst das Ego mit einem sanften Lächeln anstelle einer mißbilligenden Verdammung betrachten. Du kannst sehen, daß Ärger ein lachhafter Fehler ist, ein fehlerhafter Problemlösungsansatz, und nicht irgendein böswilliger Gifthauch auf deiner Seele. Es ist ein Irrtum, den es liebevoll zu korrigieren gilt, nicht eine dämonische Habe, die Hölle und Tod verdient. Du wirst sehen, daß die Antwort deines Ego von dem Glauben herrührt, daß es möglich ist, sich von GOTT zu trennen, etwas anderes zu sein als die Liebe, als die dich GOTT geschaffen hat. Du wirst erkennen, wie unmöglich das ist, und du wirst dich mit dem HEILIGEN GEIST im Lachen über diese drollige Idee vereinen.
»Mit sanftem Lachen nimmt der HEILIGE GEIST die Ursache wahr und schaut nicht auf Wirkungen. Wie könnte ER deinen Irrtum sonst berichtigen, der du die Ursache ganz übersehen hast? ER heißt dich, jede fürchterliche Wirkung IHM zu überbringen, damit IHR gemeinsam auf ihre törichte Ursache schauen und du eine Weile mit IHM lachen mögest. Du beurteilst Wirkungen, doch ER hat ihre Ursache beurteilt. Und durch SEIN Urteil werden Wirkungen beseitigt. Vielleicht kommst du in Tränen. Doch hör IHN sagen: »Mein Bruder, heiliger SOHN GOTTES, sieh deinen nichtigen Traum, in dem dieses geschehen konnte.« Und du wirst den heiligen Augenblick verlassen, in dem dein Lachen und das deines Bruders sich mit dem SEINEN verbunden hat.« (T-27.VIII.9:1-8)