Gegen das Ego kämpfen

Teilbeitrag zu »Die falsche Identität« von Allen Watson, gechrieben 2001
Eine Erweiterung der vorgenannten fehlerhaften Reaktion, das Ego zu korrigieren, besteht darin, es zu bekämpfen, versuchen es auszumerzen. In der Erkenntnis, daß das Ego nicht zu bändigen ist, entscheiden wir uns, es zu töten. Natürlich ist dies eine Form von Angriff, die nicht funktionieren wird!

Dieses nimmt oft eine Form von fieberhafter Spiritualität an. In alten Zeiten pflegten Mönche täglich stundenlang ihre Körper mit Peitschen zu traktieren, im Versuch, den Teufel und die Fleischeslust herauszuschlagen. In modernen Formen des Christentums ist, wenn auch die Geißeln verschwunden sind, noch immer viel die Rede von dem "Kampf" zwischen Fleisch und Geist, von der Notwendigkeit, das Fleisch zu unterwerfen, das Selbst zu opfern und der Welt zu "entsagen". In New-Age-Kreisen scheint unser Kampf gegen das Ego ein bißchen mehr in den Untergrund gewandert zu sein, gewöhnlich die Form von besessenem spirituellem Suchen annehmend: wir hasten von einem Workshop zum anderen, von einem Buch zum nächsten, von einem Guru zum nächsten. Wenn wir auch die Kriegsterminologie hinter uns gelassen haben, ist unser spirituelles Suchen doch durchdrungen von einem Gefühl von Anstrengung und Frustration.

Eine Form, die unser Kämpfen gegen das Ego annimmt, ist exzessive Selbstdisziplin; wir versuchen, uns selbst in die Spiritualität zu zwingen. Kursstudenten mögen sich damit quälen, ob sie die Lektionen des Übungsbuchs korrekt durchführen oder nicht. Wir mögen uns selbst zu dem verzweifelten Bemühen bringen, häufiger, regelmäßiger und für längere Zeit zu meditieren. Wir mögen extreme Maßstäbe anlegen, um jegliche schlechte Gewohnheit zu brechen. Und gewöhnlich ist das ganze Unternehmen umgeben von einer dunklen Wolke von Schuld, von nicht genug tun, nicht gut genug sein, nicht schnell genug fortschreiten; durch alles zieht sich ein Hauch von trauriger Verzweiflung.

Der Kurs betont die Notwendigkeit geistiger Wachsamkeit und fleißiger Praxis für uns. Das Übungsbuch enthält Passagen von Ermahnungen, die täglichen Lektionen nicht zu vergessen, und strebt eindeutig an, uns eine beständige geistige Disziplin einzuschärfen. Und doch gibt uns der Kurs, nachdem er uns im Rahmen seiner praktischen Instruktionen durchaus darauf hingewiesen hat, wie notwendig tägliches Üben ist, einen Rat, den wir alle brauchen:

»Und wenn du feststellst, daß der Widerstand stark ist und die Hingabe schwach, dann bist du nicht bereit. Bekämpfe dich nicht selbst« (T- 30.I.1:6,7).

Er sagt uns, daß wir den Ort des inneren Friedens »Nicht durch Zerstörung, nicht durch ein Ausbrechen, sondern einfach durch ein stilles Verschmelzen« (T-18.VI.14:6) finden. Der Kampf gegen das Ego läßt es einfach noch realer erscheinen. Er stärkt das Ego, anstatt es zu schwächen. Der Versuch, spirituelles Wachstum zu erzwingen, ist kontraproduktiv. Der Weg zum Frieden kann nicht durch Druck gefunden werden.

»Oft scheint es, als gäbe es da zwei opponierende Selbste, gefangen in tödlichem Kampf. Der Körper existiert in einer Welt, die zwei um seinen Besitz kämpfende Stimmen zu enthalten scheint« (T- 8.VIII.2:1).

Wir fühlen uns mittendurch gespalten. Ich erinnere mich an das Diagramm einer christlichen Sonntagsschule für Erwachsene, das den Konflikt zwischen Fleisch und Geist versinnbildlichen sollte. Es zeigte einen Mann, an jeden Arm ein Seil gebunden, daran zwei Esel, die in entgegengesetzte Richtung zogen. Welch ein perfektes Bild von Folter, das diese Sicht von uns selbst bringen kann! Wir fühlen uns, als seien wir entzweigerissen, und wenn das »Fleisch« nicht verschwinden will, wünschen wir uns, daß der Geist es täte.

Obwohl du ein Selbst bist, erlebst du dich als zwei; als gleichzeitig gut und böse, liebend und hassend, Geist und Körper. Dieses Empfinden, in Gegensätze gespalten zu sein, induziert Gefühle von akutem und dauerhaftem Konflikt und führt zu rasenden Versuchen, die widersprüchlichen Aspekte dieser Selbstwahrnehmung in Einklang zu bringen. (W-I.96.1:1-2).

Der Kurs versichert uns: »Du bist nicht zwei Selbste, die miteinander in Konflikt sind« (T-16.III.6:1). Er sagt:
»Zwei Selbste können nicht gelöst werden, und Gut und Böse haben keine Stätte der Begegnung. Das Selbst, das du gemacht hast, kann nie dein SELBST sein, noch kann dein SELBST entzweigespalten werden und trotzdem bleiben, was ES ist und ewig sein muß.« (W-I.96.3:2,3)

»Das Selbst, das du gemacht hast« ist, natürlich, das Ego. Es ist nicht dein SELBST. Und dein wahres SELBST kann nicht »entzweigespalten werden«. Wir werden zu affirmieren gelehrt: »Ich bin ein SELBST, vereint mit meinem SCHÖPFER« (L95). Da findet kein Konflikt statt, außer auf seiten des Ego. Die Illusion ist in Konflikt mit der Wahrheit, die Wahrheit jedoch ist mit nichts in Konflikt, sie ist einfach.

Da ist keine Notwendigkeit, das Ego zu bekämpfen. Wenn du es nicht unterstützt, wird es still zu Staub zerfallen; es hat aus sich selbst heraus keine Macht. Es zu bekämpfen heißt, es zu unterstützen. Wenn du dir deines Ego gewahr wirst, fühlst du eine Art Knoten in deinem Geist, ein Empfinden von Panik, einen Terror, den du nicht glaubst loswerden zu können? Kriechst du geistig zu Kreuze und denkst: »Oh, GOTT! Ist mein Ego schon wieder dabei?« Falls ja, kannst du sicher sein, daß du an der Krankheit, das Ego zu bekämpfen, leidest.

Wann immer wir uns in Konflikt mit unserem Ego fühlen, handelt es sich in Wahrheit um nichts anderes als um zwei Illusionen, die einander bekämpfen, verschiedene Aspekte des Ego in einen Scheinkampf verwickelt. Wir sind gänzlich in der Ego-Arena. GEIST hat es nicht nötig, zu kämpfen oder sich zu verteidigen. Die STIMME für GOTT ist eine stille Stimme des Friedens.

Der Kurs weist uns an: »Räume dem Ego nie die Macht ein, die Reise zu behindern« (T-8.V.6:4). Wenn wir aus dem Kampf aussteigen, kann das Ego uns nicht zurückhalten. Es ist eine leere Drohung. Wir können ihm zulächeln, amüsiert über sein Gebaren, und weitergehen.