Teilbeitrag zu »Die falsche Identität« von Allen Watson, gechrieben 2001
Nun, wenn wir die Gegenwart des Egos nicht leugnen können, und wenn das Herauslassen aus seinem Käfig nicht wirklich irgend etwas zum Besseren ändert, können wir es vielleicht korrigieren oder nett machen. Vielleicht, zum Beispiel, können wir das Gefühl von Ärger nicht loswerden, aber vielleicht können wir einräumen, daß es da ist und dennoch nicht auf seinem Fundament handeln. In anderen Worten, wir versuchen, das Wilde zu zivilisieren und es dazu zu bringen, sich anständig zu verhalten. Wir versuchen, uns so zu benehmen, wie wir es nach unserer Meinung sollten, ohne das jedoch vollständig zu wollen. Nachdem wir im Kurs gelesen haben: »Ärger ist nie gerechtfertigt« (T-30.VI.1:1), entscheiden wir vielleicht, daß wir nicht ärgerlich sein sollten. So versuchen wir so zu handeln, als seien wir nicht ärgerlich, obwohl wir es sind.
Der Kurs diskutiert diese falsche Lösung kurz und zeigt auf, daß ihr einziges Ergebnis Stress ist. (Vgl. T-2.IV.5:7) Man tut, was man nicht wirklich tun will (nett sein) und tut das nicht, was man gerne wollte (töten). »Das löst ein Gefühl von Zwang aus, welches gewöhnlich Wut erzeugt, und darauf folgt mit einiger Wahrscheinlichkeit Projektion« (T-2.IV.5:7). Überraschung! Dieses ist in der Tat nur eine andere Form von Verleugnung. Es ist nicht komplette Verleugnung, weil du dir wenigstens deines Ärgers bewußt bist; es ist Verleugnung auf der Verhaltensebene, während du versuchst, die Emotion unberührt zu lassen. Es produziert die Art von Wut, die sich plötzlich als Gewalt entladen kann, nachdem sie über Jahre hinweg in der Flasche verschlossen war.
Du kannst schlichtweg das Ego nicht berichtigen oder es nett machen. Um von unserer Besonderheit zu sprechen, die ein Schlüsselaspekt des Egos ist, sagt der Kurs: »Sie wird nie Versöhnung üben, weil sie ein geheimer Schwur ist, daß das, was GOTT für dich will, niemals sein wird und daß du dich für immer SEINEM WILLEN widersetzen wirst.« (T-24.III.4:6). Das Ego ist das Ego; du kannst es nicht ändern. Es wird für immer und ewig nichtvergebend bleiben; es wird immer angreifen; es wird immer versuchen, auf Kosten anderer zu gewinnen; es sucht immer unseren Tod. »Das Ego will, daß du tot seist« (T-15.I.3:3).
Wenn wir es nicht ändern können, was können wir dann tun? Viele von uns überfällt hier ein Gefühl tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Nach monate- oder jahrelangen Versuchen, unser Ego zu ändern, uns selbst zu erziehen und das Ego mit einem Anstrich von Zivilisation zu bemänteln, entdecken wir, daß es ungehindert weitermacht. Wir dachten, wir hätten all seine Hintertürchen verschlossen, aber das Ego findet eine Lücke und schlüpft hindurch, alles verderbend (und unser nettes Image zerstörend). Das Ego scheint nicht zu stoppen zu sein, und wir fühlen uns wie totale Versager.
Ohne zu realisieren, was wir tun, identifizieren wir uns immer noch mit dem Ego. Das Ego hat überhaupt keine Macht, falls wir ihm diese Macht nicht geben. Der einzige Grund, weshalb das Ego noch aktiv ist, ist, weil wir es aktiv haben wollen; es bezieht all seine Macht von uns. Die Verzweiflung ist noch immer eine Vertuschung, prätentiös, eine andere Art von Verleugnung, eine Art zu sagen: »Ich kann mir nicht helfen, ich bin ein Opfer meines eigenen Egos«.